Am Schiffenberg zieht bald ein neues Team ein. Dazu gehört auch Boris Frackenpohl. Der 38-Jährige ist leidenschaftlicher Koch und nimmt für seine Profession auch Entbehrungen in Kauf.

Gießen – Die große Küche in der Kongresshalle ist noch kalt. Keine brutzelnden Steaks in den Pfannen, keine aufkochenden Soßen in den Töpfen. Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Boris Frackenpohl ist trotzdem da. Kein Wunder, schließlich ist der Gießener nicht nur Küchenchef, sondern auch gastronomischer Leiter des heimischen Unternehmens „Der Gastropate“, das für die Verpflegung in der Kongresshalle verantwortlich ist. Mit seinem Team bereitet er dort und auch bei etlichen anderen Veranstaltungen kunstvoll arrangierte Buffets für bis zu 1500 Personen zu. „Gerade erst haben wir die große Silvestergala über die Bühne gebracht“, sagt Frackenpohl.

Zeit zum Verschnaufen bleibt dem 38-Jährigen jedoch nicht. Neben dem täglichen Betrieb muss er mit seinen Team noch die Eröffnung des neuen Restaurants am Schiffenberg vorbereiten. Auch hier werden die Gastropaten künftig die Strippen ziehen. Frackenpohl weiß um die große Verantwortung. Neben den vielen Bürgern haben auch die politischen Vertreter ein gesteigertes Interesse daran, dass die Gastronomie an Gießens Hausberg funktioniert. Aufgeregt? „Nein“, sagt Frackenpohl bestimmt. „Vorfreude.“ Diese Abgeklärtheit hat er sich in den vergangenen 20 Jahren in gehobenen Küchen in ganz Europa erkocht. Angefangen hat alles aber eine Nummer kleiner. An Mamas Herd.

Frackenpohl ist in Albach aufgewachsen. Der Vater war Zollbeamter, die Mutter Schneiderin. „Und eine sensationelle Köchin“, wie der Sohn betont. Sie habe stets frische Zutaten verwendet, und am Wochenende sei das Kochen regelrecht zelebriert worden. Man kann es beinahe schmecken, wenn Frackenpohl von der Hausmannskost schwärmt. Dem Hasenbraten. Oder den Gerichten aus dem Römertopf. „Meine Mutter hat immer mit viel Liebe gekocht“, sagt der Gießener. „Das hat mich sehr geprägt.“

Rauer Ton in Küche

Für Frackenpohl stand daher früh fest, dass er später einmal mit dem Kochen sein Geld verdienen wollte. Er absolvierte auch zwei Praktika. Das eine im Dachcafé, das andere bei Hubert Henning in der Kongresshalle, an jenem Ort also, an dem er heute selbst das Sagen hat. Die ersten Erfahrungen außerhalb der elterlichen Küche bestärkten ihn in seiner Karriereplanung – auch wenn sein Vater ihn lieber in einem anderen Beruf gesehen hätte. „Trotzdem hat auch er mich immer unterstützt.“ Das war auch nötig. Denn die Arbeit in der Küche ist ein hartes Brot.

Nach dem Realschulabschluss an der Ostschule begann Frackenpohl seine Ausbildung. Er war vom Ton in seiner Ausbildungsküche regelrecht geschockt. Wortgefechte und Beleidigungen hätten zur Tagesordnung gehört. Für Frackenpohl war dieser Umgang nicht nur neu, er empfand ihn auch als ungerecht. „Ich bin wohlbehütet aufgewachsen, bei uns zu Hause ist kein böses Wort gefallen.“ Der Lehrling störte sich derart am Küchenklima, dass er den Ausbildungsbetrieb wechselte. Ein guter Schritt. „In der neuen Küche wurde es auch mal laut. Aber nur dann, wenn es angemessen war. Außerdem war nach der Arbeit alles wieder gegessen.“ Heute ist Frackenpohl selber Chef. Er weiß, dass ein rauer Umgangston zur Küche gehört. „Wenn draußen 400 Leute auf ein Menü warten, muss alles sitzen. Da heißt es Klappe halten und konzentrieren.“ Wenn etwas schief läuft, könne auch er mal laut werden, räumt der Koch ein. „Aber ich bin kein Choleriker. Wenn ich mal schreie, hat es einen Grund. Und danach ist es wieder gut und man kann später ein Bier zusammen trinken.“

Frackenpohls Ausbildung liegt knapp 20 Jahre zurück. Seither hat er in unzähligen Restaurants und Hotels gearbeitet. Darunter so hochklassige wie das Arabella Sheraton Grand Hotel in Frankfurt, die Residenz Heinz Winkler im Chiemgau mit drei Michelin-Sternen oder aber als Teammitglied von Sternekoch Edwin Helström in St. Moritz. Außerdem war Frackenpohl über fünf Jahre lang Küchenchef des 5-Sterne-Hotels Vila Vita Rosenpark in Marburg. Nicht zuletzt hat er eine Zeit lang auf dem Traumschiff gekocht.

Gießen: In der Crème de la Créme der deutschen Kochszene

Der Gießener gehört also zur Crème de la Créme der deutschen Kochszene. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er mit einem eigenen Restaurant in Winnerod krachend gescheitet ist. „Das war hart. Ich war 24 und ein wenig blauäugig.“ Trotzdem sei die Zeit prägend gewesen. Noch heute profitiere er von dem Wissen, das er damals gesammelt habe.

Frackenpohl hat dem Kochen viel zu verdanken. Nicht nur seine Karriere, sondern auch seine Ehe. Seine heutige Frau hat er ebenfalls im Restaurant kennengelernt. Er war Koch, sie Gast. Frackenpohl lächelt. „Liebe geht eben durch den Magen.“ Das Kochen hat aber auch dazu geführt, dass er einiges opfern musste. „Ich habe durch die Gastronomie auch sehr viel verpasst.“ Er meint die Zeit mit seinen beiden Kindern, die heute neun und elf Jahre alt sind. Es gab Phasen, da hat er die beiden nur einmal im Monat gesehen, und nur allzu oft kehrte er abends von der Arbeit zurück, als die Kinder längst schliefen. Man merkt dem Gießener an, wie sehr ihn das beschäftigt. Und in welcher Zwickmühle er steckt. Denn natürlich würde er seine Kinder gerne öfters sehen. Auf der anderen Seite liebt er seinen Beruf, den er niemals aufgeben würde. „Koch ist man entweder ganz oder gar nicht. Es gibt keine halben Sachen.“

Aber es gibt Möglichkeiten, Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Und das ist Frackenpohl gelungen. Er arbeitet nun schon im vierten Jahr für die Gastropaten. Und das in seiner Heimatstadt. „Ich sehe meine Kinder mehr denn je. Es geht hier sehr familiär zu. Sie können in der Küche ein- und ausgehen. Der Kleine kommt zum Beispiel oft nach der Schule vorbei, bevor er nach Hause fährt.“ Gleichzeitig kann der Familienvater hier in der Kongresshalle auf hohem Niveau kochen – und bald auch auf dem Schiffenberg.

Mitte Februar soll es losgehen. Frackenpohl freut sich schon darauf. „Das Kloster ist einmalig. Für mich als Gießener ist es toll, dort oben arbeiten zu können.“ Die Gastropaten wollen an der alterwürdigen Stelle feine, aber vor allem familienfreundliche Küche anbieten. Mit frischen regionalen Zutaten. So wie einst bei der Mama in Albach. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. „Ich verwende heute noch das ein oder andere Rezept von ihr“, sagt Frackenpohl. „Das Frikassee zum Beispiel, das ist von ihr.“ Denn, davon ist der hochdekorierte Küchenchef überzeugt: „Manchmal kocht meine Mutter auch heute noch besser als ich.“

Quelle: https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/boris-frackenpohl-dank-mama-meisterkoch-13429639.html