Der Schiffenberg ist einer der größten Anziehungspunkte der Region. Hier oben auf dem Gießener Hausberg treffen Kultur, Natur, Gastronomie und Sport aufeinander.

Autos, Motorräder und Wohnmobile belagern den Parkplatz unterhalb der Klostermauern. Aus dem Wald kommen Wanderer. Auch der ein oder andere Radfahrer kämpft sich die 281 Meter hinauf. Kurzum: Aus allen Ecken und auf verschiedensten Wegen strömen die Menschen auf den Schiffenberg. Man könnte meinen, Nena oder DJ Bobo würden vor dem alterwürdigen Kloster auftreten. Dabei ist es nur ein ganz normaler Sonntag an Gießens Ausflugsziel Nummer Eins.

Seit knapp 50 Jahren kann die Stadt Gießen den Schiffenberg samt des im Jahre 1130 erbauten Klosters ihr Eigen nennen. 1972 erwarb sie das Wahrzeichen vom Land, um es als Naherholungsgebiet auszubauen. Mit Erfolg.

»Der Schiffenberg ist ein bedeutender kultureller und touristischer Ort Gießens. Mit der Bandbreite des Angebotes besitzt er ein Alleinstellungsmerkmal«, sagt Frank Hölscheidt, der städtische Wirtschaftsförderer. Mit dieser Meinung ist er nicht allein.

Der Schiffenberg rangiert bei dem Reiseportal Tripadvisor auf Platz Vier der beliebtesten Gießener Sehenswürdigkeiten. Er wäre noch höher gelistet, wenn nicht viele Gäste die gastronomische Infrastruktur kritisiert hätten. Sie monieren unregelmäßige Öffnungszeiten des Kiosks, lange Schlangen und den Verkauf von Flaschen anstatt frisch gezapfter Getränke. Doch das hat sich geändert.

Markus Urich steht vorm Eingang des Restaurants und blickt über den Biergarten. Ihm gefällt, was er sieht. Kaum ein Tisch, der nicht besetzt ist. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Eyyup Kaya hat Urich das Restaurant am Schiffenberg samt Kiosk Mitte Februar vom vorherigen Pächter übernommen. »Die Leute sind froh, dass hier oben wieder regelmäßig geöffnet ist. Unsere Faustregel lautet: Wenn es nicht regnet, sind wir da.« Das würden auch Touristen zu schätzen wissen. »Wir haben viele Besucher aus Gießen und dem Umland. Aber auch aus dem Rest von Deutschland und dem Ausland werden wir aufgesucht.« Urich ist mit der Übernahme des Schiffenbergs ein Wagnis eingegangen. Denn trotz der Kioskproblematik hatten die vorherigen Pächter einen guten Ruf. Und gerade, als Urichs Team die Zweifler eines Besseren belehren wollte, wurde es lahmgelegt. Corona. Shutdown. Wenige Wochen nach der Eröffnung.

»Uns ist viel weggebrochen. Zum Beispiel der Kultursommer, die Konzerte, aber auch große Betriebsfeiern mit bis zu 900 Personen«, sagt Urich. Trotzdem sei der Betrieb gut durch die Krise gekommen. Denn das Geschäftsmodell beinhaltet Komponenten, die auch bei einer Pandemie zum Tragen kommen.

Wer am Kiosk einen Flammkuchen oder Handkäs bestellt, erhält einen Pager, der vibriert, sobald das Essen fertig ist. Abholen können es die Gäste dann über die Rückseite des Kiosks, was das Aufeinandertreffen mit anderen Kunden unterbindet. Da die weiträumige Fläche des Innenhofs zudem garantiert, dass Urich trotz Abstandsgebote bis zu 400 Kunden bewirtschaften kann, fällt das Zwischenfazit des Gastronomen positiv aus.

Auf Gießens Hausberg treffen Kultur, Natur, Gastronomie und Sport aufeinander. Letzteres hat seit 2012 einen Boom erhalten. Der Kletterwald hat großem Anteil daran, dass auf der Parkfläche kaum ein Platz frei ist und auch etliche auswärtige Kennzeichen zu sehen sind. Jedes Jahr hangeln sich unzählige Menschen durch den Hochseilgarten. Corona konnte dieser Erfolgsgeschichte wenig anhaben.

»Die ersten Tage nach der Wiedereröffnung hat es so gewirkt, als ob wir weiterhin geschlossen hätten«, sagt Paul Bühler, einer der Leiter des Parks. Diese Phase habe aber nicht lange angedauert. »Inzwischen haben wir fast jeden Tag volles Haus.« Bühler sagt, dass die Menschen wieder großer Lust hätten, sich im Freien zu betätigen. Und im Kletterwald ginge das quasi ohne Einschränkungen. »Wir haben zwar strenge Sicherheitsvorkehrungen. Die Besucher müssen zum Beispiel an der Kasse und beim Anlegen der Gurte Mundschutz tragen. Beim Klettern jedoch nicht – schließlich ist man dort oben in der freien Natur.«

Dagmar Klein ist schon auf dem Schiffenberg herumgekraxelt, da waren Kletterwälder noch ferne Utopien. Seit über 20 Jahren lässt sie die Teilnehmer ihrer Führungen in die Geschichte der alterwürdigen Mauern eintauchen. Vor allem Gruppen aus Gießen und dem Umland würden die Angebote buchen. »Aber auch Engländer, Belgier, Österreicher und Polen waren schon dabei.«

Ohne die Kenntnisse der Fremdenführerin hätte der ein oder andere Tourist sein Ziel wohl nie erreicht. Die mangelhafte Beschilderung der Wanderwege stört nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische. Die Stadt hat hier jedoch Besserung angekündigt.

Klein hat den Gießener Hausberg in ihr Herz geschlossen. Trotzdem ist die Beschilderung nicht das einzige Manko, das ihr auffällt. »Mir ist seit Jahren ein Dorn im Auge, dass der Schiffenberg zugewachsen ist.« Klein erinnert sich an Zeiten, als man von dort oben nicht nur das Umland bestaunen konnte, sondern der Schiffenberg selbst von weithin sichtbar war. »Früher waren die Gemäuer eine Landmarke, an der sich die Menschen orientiert haben. So wie heute die Burg Gleiberg.«

 

Quelle: https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/warum-schiffenberg-giessen-publikumsmagnet-13849852.html